Coaching: eine Kritik
Die umstrittene »Positive Psychologie« sowie »The Work of Byron Katie«. Das beunruhigende Ergebnis: Coachings erfolgen nach wie vor ohne wissenschaftliche Fundierung. Statt von Methoden sollte man besser von Ideologien sprechen. Dies gilt oft auch für Angebote, die sich als seriöser Flügel der Branche ausweisen. Viele Coachings basieren auf Wertesystemen, die esoterische, demokratiefeindliche, sozialdarwinistische, gewaltverharmlosende oder geschichtsrevisionistische Elemente enthalten. Deshalb ist ihr unhinterfragtes Vordringen in systemrelevante Bereiche wie Bildungseinrichtungen, Behörden, Unternehmen, Gesundheitseinrichtungen, Parteistiftungen, ehrenamtliche Initiativen und Kirchen auch von politischer Relevanz.
Denn das Ziel all dieser Ideologien ist, wie Steinmeyer zeigt, die Schaffung eines neuen Menschentypus, der sein Denken und seine Sichtweisen nach Maßgabe ökonomischer Verwertbarkeit »programmiert«. Der grundrechtlich geschützte Kern jeder Persönlichkeit aus individuellen Erfahrungen, Erinnerungen, Einstellungen, Charakterzügen, Glaubensvorstellungen, Gedanken und Gefühlen wird zum »Psychologischen Kapital« umgedeutet, von dessen »Flexibilisierung« und »Optimierung« die soziale und gesellschaftliche Teilhabe abhängt.
Das aber läuft auf eine Gesellschaft hinaus, in der die Gedanken nicht mehr frei sind: Coachings erweisen sich als Instrument einer Entdemokratisierung des Denkens und eines totalitären Anspruchs des Ökonomischen auf das Menschliche.
Georg Steinmeyer
Georg Steinmeyer, 1972 in Krefeld geboren, aufgewachsen in Kempen am Niederrhein, 1982 Umzug mit der Familie nach Bamberg, dort 1992 Abitur, seit 1993 in Berlin. Studium der Politikwissenschaft und Germanistik an der Technischen Universität Berlin, 2006 Promotion mit einer Arbeit über den Soziologen und Journalisten Siegfried Kracauer. 2010 IHK-Qualifikation zum Gästeführer in Potsdam, danach zeitweise Tätigkeit als Betreuer der Heilandskirche Sacrow.
Erfahrungen als Klient in Coachings weckten 2014 das Interesse an einer tiefergehenden Untersuchung der dort eingesetzten Techniken und der dahinterstehenden Wertesysteme.