Ein kleiner Auszug rund um Zusammenarbeit: Der Philosoph, Theologe und Berater Rupert Lay hat sich vor allem mit Ethik und Kommunikation beschäftigt. 1986 kam sein Buch „Die Macht der Wörter – Sprachsystematik für Manager“ auf den Markt. Darin findet man das Kapitel mit dem Titel „Sprache kann töten – Sprache gibt Leben“. Klingt hart. Ist es auch.
Es handelt davon, dass wir Menschen sehr viel mehr als wir gemeinhin ahnen anderen Menschen ausgeliefert sind. Es handelt davon, dass die weitverbreitete Überzeugung wir seien hochautonome Wesen, zwar in unserer Welt dominiert und dennoch falsch ist. Bis heute hat sich das erstrebenswerte Denkschema des autonomen, selbstständigen Menschen durchgesetzt. Eventuell sagt dies jedoch mehr über unsere Unfähigkeit aus, überzeugende Behauptungen von Wirklichkeit zu unterscheiden oder dass wir aufgrund weniger guter Erfahrungen heraus hoffen, wir brauchen andere Menschen doch nicht so sehr. Wir dürfen uns also immer wieder daran erinnern, dass wir soziale Wesen sind. Durch und durch. Tagein tagaus. Außerhalb und innerhalb von Organisationen.
Lay beschreibt in seinem Buch die Interaktion als das Band, das uns mit anderen Menschen verbindet, uns „aneinander fesselt“. Interaktion bildet das Nervensystem all der „sozialen Verbände“, in denen wir unsere Lebensgeschichte erzeugen. Mit unseren Interaktions-Fähigkeiten erzeugen wir miteinander unser psychisches und soziales Leben. Wenn wir Menschen uns in einem sozialen Verband erkannt fühlen – Lay nennt es “gemeinsame Wirklichkeitsmomente erzeugen” – erzeugt diese Sprache Leben. Im Erkennen der anderen erkennen wir uns selbst. Durch gelungene Interaktion entsteht die Passung zwischen Fremdverstehen und Selbstverstehen.
Doch gelingt das nicht, werden wir zunehmend unsichtbar bis hin zu Selbstauflösung oder gar Selbstverlust. Durch fehlende oder dysfunktionale Interaktionsmuster wissen wir nicht mehr, wer wir sind. Das verunsichert, das verletzt. Wir können uns dann zurückziehen oder andere soziale Verbände suchen. Doch so einfach ist diese Abwanderung, das Übersiedeln in andere Verbände gar nicht.
- Verdeckte Schuldzuweisungen, Versuche jemanden Angst, Scham oder Schuldgefühle zu machen können diesen Verlust des Sich-Verstehens fördern.
- Auch die Aufforderung, man solle ohne Rücksicht immer sagen, was man sich denkt, dazu stehen lässt “das innere Verwiesensein des anderen auf Freundlichkeit, auf Höflichkeit, auf Anerkennung” außer Acht.
- Wenn wir vorwiegend aus den eigenen Bedürfnissen ausgerichtet interagieren, können wir „der Gesellschaft ihrer Zivilisiertheit berauben“, so der Soziologe Richard Sennett.
- Kritik ohne Rücksicht auf die psychische und soziale Verfassung des kritisierten Gegenübers kann – um wieder zum Titel von Rupert Lay zurückzukommen – töten. Damit meint Lay nicht den physischen Tod, sondern den psychischen, den sozialen.
Wir alle wissen: Die Würde des Menschen ist unantastbar und gilt als höchstens zu schützen. Das gilt überall immer dort, wo wir gerade sind, immer wie wir uns begegnen.
Eine weitere Gefahr der Sprache ist das „über andere Reden“ statt „miteinander“: Über jemanden zu sprechen, der nicht anwesend ist, birgt die Gefahr, dass ein “kommunikatives Phantom” von dieser Person erzeugt wird. Durch diese ausgrenzende Form entsteht eine Interpretation, eine Vorstellung einer Person. Trifft man wieder aufeinander, werden Handlungen dieser Person mit dem erzeugten Phantom gekoppelt. Das Schräge ist: Alles, was diese Person tut, wird mit dem Phantom verglichen. Die Person verhält sich dann dem Phantom entsprechend. Die erzeugte falsche Wirklichkeit wird bestätigt. („Schon wieder macht er das….“, „Ich hab´s ja gewusst, dass das wieder sein wird,…“). Die Folgen können sein: Mobbing, Isolation, Ausgrenzung, Würdeverlust. Die Person selbst muss sich entweder an das Phantombild anpassen, um erkannt zu werden, um zu leben, oder die Gruppe verlassen – sofern möglich.
Was können wir also in der alltäglichen Zusammenarbeit tun?
Erstens: Wir können uns der Macht unserer Sprache bewusst sein und darauf achten, dass wir echte Begegnungen ermöglichen, Erkennen und Erkenntnisse produzieren statt Phantombilder kreieren.
Zweitens: Wir können durch Sprache Leben erzeugen. Täglich. Wir können Sprache für lebendige Interaktion einsetzen, die gemeinsame Meisterei der sozialen Performance üben. Uns mitteilen, rückkoppeln, ein dauerhaftes, aktives Bemühen zeigen, miteinander unsere soziale Persönlichkeit ausbilden, u.s.w.u.s.f.
Drittens: … um noch Aristoteles zu zitieren: Wir sollten nie vergessen, dass das, „was auch immer erkannt wird, auf die Weise des Erkennenden erkannt wird“.
Das Folgekapitel in Lays Buch hat den Titel: „Sprache schafft Welt.“ Ein erbaulicher und zuversichtlicher Anspruch, den wir wohl in Tagen wie diesen genau dort, wo wir gerade sind, sehr ernst nehmen sollten, um gemeinsam eine Welt zu schaffen, die sich dem Leben und nicht dem Töten widmet.
Auszüge aus: “Die Macht der Wörter: Sprachsystematik für Manager.” Rupert Lay, Wirtschaftsverlag Langen-Müller – Herbig., 1986
Natürlich endet mein Artikel mit einem Zitat von einer sehr starken, weisen Frau, einer Pionierin für starke Arbeitsorte, für vernetzte Zusammenarbeit. Mary Follett (1868-1933) schrieb um 1919, dass bereits die Erwartung der Begegnung selbst der Auftakt gelungener oder weniger gelungener Interaktion ist und dass Höchstleistung in Organisationen durch Beziehungsnetze nicht durch Einzelpersonen oder Einzelleistungen entsteht.
“Ein ernsthaftes Hindernis für Integration ist die verwendete Sprache. Es ist notwendig, andere und auch uns selbst auf eine Haltung vorzubereiten, die Vereinbarungen am förderlichsten ist. Ein weiteres Hindernis für Integration ist, dass unsere Lebensweise viele von uns daran gewöhnt hat, Dominanz zu genießen. Integration scheint für viele eine zahmere Angelegenheit zu sein; sie lässt keinen Raum für den ‚Nervenkitzel’ der Eroberung. Doch Integration bedarf eines hohen Maßes an Intelligenz, scharfer Wahrnehmung, Unterscheidungsvermögen und brillanten Einfallsreichtums.” Mary Follett
All jene, die mich kennen und immer wieder mit mir zusammenarbeiten wissen: Die Macht der Sprache für hervorragende Klärungsprozesse, anstehende Entwicklungsthemen, starke Zusammenarbeit zu nutzen, ist meine Exzellenz.
Mein Name ist Sechser.
Elisabeth Sechser.
Ich kann weder mit Waffen umgehen, noch werde ich die Heldin sein, die immer in letzter Sekunde die Menschheit vor ihrem Untergang rettet. Dafür kann ich …